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Was in der Zwischenzeit geschah

Wissenschaftliche Ergebnisse der letzten Kampagne haben wir kurz nach der Rückkehr natürlich noch nicht. Stattdessen werden noch fleißig Daten gesichert und aufbereitet, um dann im nächsten Schritt ausgewertet werden zu können. Wir möchten euch hier allerdings ein paar Ergebnisse von früheren Kampagnen zeigen, um auch mal den wissenschaftlichen Teil gebührend zu beleuchten.

Los geht’s noch mit den letzten Messungen vom „alten“ Experiment, genauer gesagt von der PFC 2022. Dort hatten wir einen Draht in die Kammer eingebaut und untersucht, wie dieser vom Staub umströmt wird (Details in diesem Blogbeitrag). Das Ganze schien anfangs etwas langweilig, da der Draht einfach mehr oder weniger laminar umströmt wurde und die 3D-Auswertung auch nur mittelmäßig funktionierte. Dann haben wir aber gesehen, dass sich unter bestimmten Bedingungen Bugstoßwellen (bow shocks) ausbilden, die wir recht gut auswerten konnten. Diese breiten sich mit konstanter Geschwindigkeit vom Draht weg aus und zeigen sich recht unbeeindruckt davon, was sonst so in der Staubwolke vor sich geht. Das ganze wurde schließlich Anfang dieses Jahres in Physics of Plasmas veröffentlicht und war dort sogar ein Feature und ein Scilight wert.

Grafiken CC BY 4.0 S. Schütt, C. A. Knapek, D. Maier, D. P. Mohr, A. Melzer, Bow shock formation in a dusty plasma flowing around an obstacle under microgravity, Phys. Plasmas 32, 023704 (2025).


Weiter geht’s mit der Zyflex-Kammer. Ab und an kam ja schon die Vier-Elektroden-Konfiguration zur Sprache (z.B. in diesem Beitrag), aber wozu ist das Ganze jetzt gut? Im Wesentlichen werden die Elektroden wechselweise für kurze Zeiträume eingeschaltet, wodurch die Plasmaproduktion verschoben und somit auch die Richtung des Ionenstroms beeinflusst wird. Macht man das schnell genug, hebt sich der Ionenstrom aus Sicht der vergleichsweise trägen Staubpartikel im Mittel auf. In der Folge ist es möglich, homogene Staubwolken ohne Void zu erzeugen. Eine systematische Charakterisierung der entstehenden Staubwolken wurde ebenfalls in PoP veröffentlicht. Dabei wurde natürlich auch die Möglichkeit genutzt, die Elektroden zu verfahren, und bei verschiedenen Elektrodenabständen gemessen. Es zeigte sich, dass die Pulsfrequenz (sofern hoch genug) kaum einen Einfluss auf die Staubwolke hat, wohl aber natürlich Elektrodenabstand und Gasdruck.

Grafiken CC BY 4.0 C. A. Knapek, D. P. Mohr, P. Huber, Void closure in a pulsed complex plasma in microgravity, Phys. Plasmas 31, 063702 (2024).


Last but not least haben wir noch eine Methode zur Fluidanalyse auf unser staubiges Plasma angewandt, um die dynamischen Eigenschaften der Staubwolke in 3D zu charakterisieren. Dabei kommt ein Konstrukt namens finite-time Lyapunov exponents (FTLE) zum Einsatz, also Ljapunow-Exponenten, die zu festen Zeitschritten – hier Vielfachen der Framerate – ermittelt werden. Diese sagen uns, wo in der Staubwolke sich Fluidelemente aufeinander zubewegen und wo sie sich voneinander entfernen. Es wurde gefunden, dass auch unsere ausgedehnten Staubwolken in der Zyflex-Kammer weitgehend inkompressibel sind, so wie dies bereits für kleinere Systeme angenommen wird. Weiterhin wurde ein Vergleich zwischen einer Partikelerkennung per neuronalem Netz (AIPR = Artificial Intelligence Particle Reconstruction) und klassischen, bewährten Methoden durchgeführt und gezeigt, dass das neuronale Netz bei reduziertem Rechenaufwand vergleichbare Ergebnisse liefert. Im Detail nachlesen kann man das alles bei Physical Review E.

Grafiken CC BY 4.0 A. Melzer, C. Knapek, D. Maier, D. Mohr, S. Schütt, Three-dimensional finite-time Lyapunov-exponent analysis of fluid dusty plasmas under weightlessness using a machine-learning particle reconstruction technique, Phys. Rev. E 111, 045214 (2025).

Dürfen wir vorstellen: ZYFLEX

Nachdem das Experiment jetzt schon hier und da zu sehen war, wird es wohl Zeit, euch die Details etwas genauer vorzustellen. Hier nun also ein Beitrag für die Physik-Nerds unter unseren Lesern. 😉

Das Experiment besteht, wie ihr bestimmt längst gesehen habt, im Wesentlichen aus zwei Racks. Ich schreibe „im Wesentlichen“, denn streng genommen handelt es sich um 3 Racks. Zwischen den eigentlichen Racks ist nämlich noch ein Beschleunigungssensor direkt auf den Rails verschraubt – aber bleiben wir beim Wesentlichen. Das kleine Rack enthält den RF-Generator und 4 Computer (2 zur Steuerung, 2 zur Aufnahme). Im großen Rack wird es spannend. Hier findet sich das Herzstück unseres Experiments: Die Zyflex-Plasmakammer umgeben von 2 Lasern und stolzen 8 Kameras. In der unteren Ebene befinden sich zudem die Pumpen sowie die Gasversorgung.

Die beiden (3) Racks im Flugzeug
Unterer Teil des kleinen Racks, v.l.n.r.: 2 Aufnahmerechner und ein Gehäuse, das die beiden Steuerrechner enthält. Im oberen, abgeschirmten Teil befindet sich der RF-Generator.

Schauen wir uns zunächst die Kammer etwas genauer an. Die ursprünglich für das Ekopasma-Projekt entwickelte Zyflex (zylindrisch, flexibel) ist verglichen mit der IMPF-K2 deutlich größer. Der eigentliche Clou sind die oben und unten jeweils in Center und Ring unterteilten Elektroden, die in Phase und Amplitude unabhängig ansteuerbar sind.

Am abgenommenen Deckel lassen sich die beiden konzentrischen Elektroden sowie der umgebende Guardring gut erkennen.
Ansteuerung (oben) und Messung (unten) der 4 unabhängigen Elektroden

Weiterhin können die Elektroden und der sie umgebende geerdete Guardring unabhängig voneinander in der Höhe verstellt werden. So sind Elektrodenabstände zwischen ca. 30 mm und 75 mm möglich.

Kommen wir nun zu den Diagnostiken. Neben diversen 2D-Diagnostiken betreiben wir auch unser 3D-Setup, welches hierzu vom IMPF-Experiment in diesen Aufbau transplantiert wurde. Daher gibt es auch zwei Laser, da die unterschiedlichen Beleuchtungsansprüche schwer unter einen Hut zu bekommen sind. Wir haben einerseits einen roten Laser für die 2D-Diagnostiken, der eine dünne Schicht von etwa 0.5 mm Dicke auf der ganzen Höhe von 75 mm beleuchtet. Außerdem gibt es den grünen 3D-Laser, der auf etwa 3mm Breite aufgeweitet ist, dafür jedoch nur eine Höhe von etwa 30 mm abdeckt. Der 2D-Laser ist auf dem folgenden Foto hinten zu sehen. Man erkennt die große Zylinderlinse sowie einen im 45 Grad-Winkel stehenden Spiegel, der den Laser unter genau 90 Grad in die Kammer lenkt. Davor befindet sich der 3D-Laser mit seiner kleineren Zylinderlinse. Sein aufgeweiteter Strahl verläuft leicht schräg links am Spiegel des 2D-Lasers vorbei, um durch den selben Schlitz im fast vollständig abgeklebten Kammerfenster zu passen und schließlich innerhalb der Kammer den 2D-Laserfächer im Sichtfeld der 3D-Kameras zu kreuzen.

Blick in das Herzstück des Experiments: Die Plasmakammer umgeben von Lasern (vorne) und Kameras (links und rechts der Kammer)

Womit wir endlich bei den Kameras wären. Im obigen Bild befinden sich die 2D-Kameras links der Kammer und sind leider kaum zu erkennen. Ihr müsst mir also glauben, dass es 3 davon gibt: Eine Übersichtskamera, die den gesamten Elektrodenzwischenraum erfasst sowie 2 Detailkameras, die zusammen etwa die halbe Staubwolke mit hoher räumlicher Auflösung beobachten.

Rechts erkennt man das Stereoskopie-Setup bestehend aus 4 Kameras, welches nun auf einer eigenen Grundplatte Platz gefunden hat. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass alle Einstellungen relativ bequem von der Rückseite aus vorgenommen werden können. Der Nachteil gegenüber einzeln an den Bosch-Streben montierten Kameras ist natürlich, dass die Kameras nicht mehr einzeln positioniert werden können. Andererseits kann nun das Sichtfeld zumindest horizontal durch Verschieben der ganzen Platte recht einfach verstellt werden.

Rückseite des 3D-Setups

Natürlich sind alle Kameras mit entsprechenden Bandpassfiltern für die jeweilige Laserwellenlänge ausgestattet. Zusätzlich gibt es noch eine Glow-Kamera, die nur das Plasmaleuchten aufnimmt.

Für die ehemaligen IMPF-K2-Flieger unter uns hat dieses Experiment einige Eigenheiten zu bieten, auf die hier noch eingegangen werden soll. Da die Racks ursprünglich als Testplattform für Ekoplasma (und nun für COMPACT) gebaut worden sind, ist die Turbopumpe eine weltraumzertifizierte, aber ziemlich kleine Ausführung. Im Zusammenspiel mit der großen Kammer muss immer recht lange gepumpt werden, um einen guten Basisdruck zu erreichen. Zudem wurde die Kammer vor der Kampagne ein letztes Mal gründlich mit Ethanol gereinigt und wird hier vor Ort nur noch ausgesaugt, da sonst innerhalb der gegebenen Zeit kein wirklich gutes Vakuum erreicht werden kann.

Unterer Teil des großen Racks: im Hintergrund Gasversorgung, vorne v.l.n.r. Regelventil, Turbopumpe, Membran-Vorpumpe.

Dank der verstellbaren Elektroden und abgefahrenen RF-Konfigurationsmöglichkeiten können wir auch am Boden Staub quasi in der Kammermitte einfangen und hiermit die Stereoskopie einstellen, ohne wie vorher extra Zusatzeinbauten zum Ändern des Staubeinfangs zu benötigen – ein zusätzliches Öffnen und wieder Abpumpen der Kammer entfällt.

Die vielen Parameter und die Komplexität des Systems aus 4-kanaligem RF-Generator, regelbaren Verstärkern, Abschwächern, Anpassnetzwerken und 4 unterschiedlich stark ineinander einstreuenden Elektroden macht das Handling natürlich auch dementsprechend knifflig. Daher werden im Vorfeld der Kampagne sogenannte Setpoints erstellt, die für gegebene Elektrodenabstände, Gasdrücke, gewünschte Entladungsbedingungen etc. passende Einstellungen enthalten. Dazu werden die Spannungen und Phasen an den Elektroden gemessen und in einem Optimierungsprozess automatisiert passende Einstellungen für den Generator gefunden, die die gewünschten Spannungen und Phasen liefern. Während der Flüge können diese Setpoints dann abgerufen werden.

In einem Folgebeitrag werden wir (so die Zeit es zulässt) noch ein paar Worte darüber verlieren, was man mit dieser tollen Zyflex-Kammer nun alles machen kann und welche Experimente wir auf dieser PFC konkret planen. Wenn euch noch Fragen zum Aufbau unter den Nägeln brennen oder ihr gerne bestimmte, andere Blickwinkel sehen würdet, hinterlasst gerne einen Kommentar!

Lasst uns über Physik reden

Natürlich geht es bei dieser Kampagne so ganz nebenbei auch um Physik. Okay, zugegebenermaßen geht es hauptsächlich um Physik. Und die wollen wir hier im Blog nicht vernachlässigen.

Thema dieser Kampagne sind Staubströmungen – genauer gesagt die Umströmung von Hindernissen durch Staubteilchen. Hierzu braucht man logischerweise 2 Dinge: strömenden Staub und ein Hindernis. Als wohldefiniertes Hindernis dient uns ein Wolframdraht (75 µm Durchmesser), der senkrecht zur Beobachtungsebene auf halber Höhe zwischen den Elektroden durch die Kammer gespannt ist. Beobachtet wird ein zentraler Schnitt durch das staubige Plasma. In der Mitte des Bildbereichs befindet sich also das Void. Der Draht ist daher (in horizontaler Richtung) etwas dezentral platziert. Klingt bestimmt erstmal ziemlich verwirrend. Aber ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1000 Worte:

Schematischer Aufbau des Experiments; Ansicht von oben

Hier seht ihr auch gleich unsere Diagnostiken. Auf der einen Seite der Kammer befindet sich das hier stark vereinfacht dargestellte Stereoskopiesystem bestehend aus 4 Kameras, welche simultan den Bereich um den Draht beobachten. Gegenüber befinden sich zwei Hochgeschwindigkeitskameras, welche das Geschehen in 2 Dimensionen verfolgen. Eine der Kameras hat dabei eine ganze Hälfte der Staubwolke im Blick. Die zweite Kamera bietet ein kleineres Blickfeld und somit eine höhere Auflösung im Bereich um den Draht herum.

Soweit die Theorie. Irgendwie muss der Draht nun natürlich in der Kammer gehalten werden. Und das am besten, ohne das Plasma mehr als unbedingt nötig zu stören. Dazu wird zunächst auf dem Zwischenboden, der auch die untere Elektrode trägt, eine (auswechselbare) Grundplatte befestigt. Hierauf steht dann auf beiden Seiten der Elektrode je ein Keramikröhrchen mit 0,8 mm Außendurchmesser, zwischen denen der Draht gespannt ist. Diese Konstruktion erlaubt es, mehrere Grundplatte-Keramik-Draht-Module vorzuhalten, die dann zwischen den Flugtagen gewechselt werden können. Dadurch können wir verschiedene Positionen des Drahtes austesten. Außerdem würde eine Beschädigung des Drahtes, z.B. beim Dispenserwechsel, nicht gleich das Ende der Kampagne bedeuten. 😉

Aufbewahrungsbox für zusätzliche Draht-Module

Die Vorbereitung dieser Module ist eine etwas heikle Angelegenheit, da der Draht auf eine gewisse meschanische Spannung gebracht werden muss, andererseits aber die Keramikröhrchen nicht brechen dürfen. Anfangs war das noch mit einigen Verlusten verbunden. Irgendwann hatten wir den Dreh dann aber raus. Auch das Ein- und Ausbauen der Module hier vor Ort auf dem Flieger klappt deutlich stressfreier als befürchtet.

Eingesetzter Draht (hier: 20mm aus dem Zentrum heraus versetzt). Wer erkennt den eigentlichen Draht? 😉

Als zusätzliches Feature kann der Draht noch elektrisch vorgespannt werden. Rechts unten im vorigen Bild seht ihr den elektrischen Anschluss, der natürlich steckbar gestaltet ist.

Nun fehlt also noch die Staubströmung. Hier haben wir es uns einfach gemacht und bedienen uns der bereits seit langem vorhandenen Möglichkeit, den Elektrodenbias zu beeinflussen. Eine gegenphasige Modulation mit geringer Frequenz von typischerweise 0.5 bis 1 Hz sorgt dafür, dass das Plasma inkl. Staubwolke periodisch nach oben und unten geschoben wird. Dabei muss der Staub dann am Draht vorbei.

Soweit zunächst zu unserem Setup. Erste Beobachtungen und Ergebnisse folgen.